Charlotte Salomon wurde am 16. April 1917 in Berlin-Charlottenburg geboren.
Beide Eltern, die Mutter Franziska und der Vater Albert entstammten liberalen, assimilierten jüdischen Familien. Der Vater war Chirurg, die Mutter Krankenschwester und gab, wie damals selbstverständlich, nach der Heirat ihren Beruf auf. Charlotte wuchs in der Wielandstraße 15 im 2. Stock, Vorderhaus, in einer sehr geräumigen Wohnung auf. Dienstmädchen und Köchin besorgten den Haushalt. Charlotte besuchte vermutlich zunächst die damalige Volksschule in der Bleibtreustraße. Das Gebäude beherbergt heute die Joan-Miró-Schule. Mutter Franziska litt an schweren Depressionen und nahm sich das Leben als Charlotte acht Jahre alt war. Großeltern und Vater verschwiegen ihr den Grund des Todes und sprachen von einer „schweren Grippe”.
Der Vater machte als Mediziner Karriere und wurde Professor. Kindermädchen sollten Charlottes Erziehung übernehmen; mehrere gingen bald wieder, denn Charlotte zeigte in ihrer eigenwilligen Art, was sie wollte und was sie sich nicht gefallen ließ.
Charlotte mit ihrem Vater, auf dem Balkon der Wohnung in der Wielandstraße.
Auf einer Reise mit den Großeltern lernte sie dann ein Kinderfräulein kennen, das ihr gefiel. Sie setzte sich durch und „Hase“, so ihr Spitzname, kam nach Berlin, unternahm Reisen mit Charlotte und förderte Charlottes Talent zum Zeichnen.
1930 heiratete ihr Vater die namhafte Sängerin Paula Lindberg, die dann auch in die Wielandstraße einzog.
Inzwischen, seit 1927, besuchte sie das Fürstin-Bismarck-Gymnasium, eine Schule für die höheren Töchter Charlottenburgs. Sie verließ die Schule 1933, ein Jahr vor dem Abitur. Sie hielt die damals stärker werdenden antisemitischen Anfeindungen nicht mehr aus. Der Vater verlor seine Professur und konnte nun nur noch im Jüdischen Krankenhaus als Arzt praktizieren.
Charlotte mit Hase, so nannte sie das Kindermädchen, das sie sehr mochte.
Charlotte wollte zeichnen lernen, aber Stiefmutter und Vater wünschten sich, dass sie einen einträglichen, praktischen Beruf erlernte. So kam sie zunächst auf eine Modezeichenschule, was gar nicht ihrem Wunsch entsprach bekam aber bald privaten Zeichenunterricht. Die Großeltern, die bereits 1933 nach Südfrankreich emigriert waren, luden sie zu einer prägenden Bildungsreise nach Südeuropa ein. Vor allem die Malerei Michelangelos in Rom prägte Charlotte nachhaltig.
Zum Wintersemester 1935/36 wurde sie, zunächst auf Probe, an den Vereinigten Staatsschulen für angewandte Kunst in Berlin-Charlottenburg aufgenommen. Trotz immer weiter zunehmenden Schikanen gegen jüdische Bürger wurde sie im Februar 1936 regulär immatrikuliert. Die Verdienste ihres Vaters im Ersten Weltkrieg spielten dabei eine Rolle. Nachdem ihr bei einem Wettbewerb der Kunsthochschule der erste Platz, der ihr von der Jury zuerkannt werden sollte, wegen ihrer jüdischen Herkunft versagt wurde, verließ sie die Hochschule im Herbst 1937.
Im Hause Salomon verkehrte inzwischen regelmäßig Alfred Wolfsohn, der über den jüdischen Kulturbund vermittelt worden war, um ein Bleiberecht zu behalten. Er arbeitete als Gesangslehrer und Korrepititor mit Paula Lindberg Salomon. Er nahm Charlottes künstlerische Arbeit ernst und bestärkte sie, weiter zu malen. Charlotte verliebte sich in den etwa 20 Jahre älteren Mann.
Charlotte mit Großeltern bei Mrs Moore, 1939
Nach der Reichsprogromnacht 1938 wurde Albert Salomon im Arbeitslager Sachsenhausen interniert, kam aber durch die energischen Aktivitäten und Beziehungen seiner prominenten Frau nach einigen Wochen wieder frei. Sobald er wieder zu Hause war, entschied er, dass Charlotte sofort emigrieren solle. Die gemeinsamen Auswanderungspläne der Familie nach Amerika waren von den Behörden durchkreuzt worden: Man hatte allen jüdischen Bürgern die Pässe abgenommen. Charlotte war 21 und konnte sich noch wenige Wochen ohne Pass bewegen. Unter dem Vorwand eines Wochenendausflugs zur kranken Großmutter emigrierte sie nach Frankreich. Dort lebte sie in In Villefranche-sur-Mer bei ihren Großeltern, die dort bereits seit 1934 wohnten. Sie waren von der wohlhabenden Amerikanerin Ottilie Moore in ihr Haus “Hermitage” eingeladen worden. Dort wohnten sie in einem Nebengebäude der Villa. Ottilie verfügte über ein Vermögen und war sehr großzügig. Sie beherbergte Emigranten und versorgte Waisenkinder.
Angesichts der Nachricht des Krieges verfiel nun Charlottes Großmutter in Depression. Charlotte fand eine Bleibe für sich und die Großeltern in der Villa Eugénie in Nizza. Dort versorgte sie die Großeltern. Die Krankheit der Großmutter verschlimmerte sich. Charlotte musste erleben, wie sie sich umbrachte. Erst anlässlich deren Todes erfuhr Charlotte vom Großvater von der wahren Todesursache ihrer Mutter.
Im Juni 1940 besetzten deutsche Truppen weite Teile Frankreichs. Charlotte und ihr Großvater wurden im Lager Camp de Gurs in den Pyrenäen interniert, kurze Zeit später jedoch wegen des hohen Alters des Großvaters wieder freigelassen.
Der Tod der Großmutter und das Erlebnis der Internierung versetzten Charlotte Salomon in eine tiefe Krise. Um die Ereignisse zu verarbeiten, begann sie auf Anraten des Arztes Georges Moridis wieder zu malen. Ihr Bleiberecht war an die Pflege des Großvaters gebunden. Ottilie Moore verließ Europa mit so vielen Waisenkindern wie sie im Auto über die spanische Grenze mitnehmen konnte. Vorher sorgte sie noch dafür, dass Charlotte ein Refugium finden konnte. Auf der nahe gelegenen Halbinsel Cap Ferrat finanzierte sie ein Zimmer in einer einfachen Pension. Dort zog sich Charlotte zwischen 1940 und 1942 zurück und schuf dort ihr Lebenswerk „Leben? – oder Theater?“ Direkt nach der Fertigstellung kümmerte sie sich wieder um die Versorgung des Großvaters, der dies immer wieder eingefordert hatte bis zu dessen Tod im Februar 1943.
Charlotte kehrte in die Hermitage zurück, in der der Emigrant Alexander Nagler noch mit vier Waisenkindern lebte. Sie liierte sich mit ihm. Sie wurde schwanger, und das Paar heiratete im Juni.
Das Ehepaar wurde denunziert, am 24. September 1943 in Nizza verhaftet und am 27. September in das Sammellager Drancy bei Paris verschleppt. Am 7. Oktober wurden sie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Charlotte Salomon, im fünften Monat schwanger, wurde vermutlich sofort nach ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet. Ihr Ehemann starb am 2. Januar 1944 an den Folgen der unmenschlichen Haftbedingungen.
Teilweise entnommen aus dem Wikipedia-Artikel Charlotte Salomon, Lizenz: CC-by-sa-3.0, Hauptautoren siehe Versionsgeschichte (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Charlotte_Salomon&action=history)
Mehr dazu lesen
Auf taz.de oder als PDF
Tief in die Einsamkeit eindringen
Tief in die Einsamkeit eindringen
Aktuelle Veröffentlichung
Margret Greiner — “Es ist mein ganzes Leben”
Charlotte Salomon